Tools vs. Kultur. Das Verhältnis zwischen Verspieltheit und Gamification in der Bildung

von Helge Fischer

Verspieltheit ist ein Konzept, welches sich auf verschiedene unternehmerische und/oder pädagogische Kontexte übertragen lässt.

Spielen wird in unserer Gesellschaft immer präsenter und Gamification, das heißt die Nutzung von Spielelementen in spielfremden Kontexten, ist in vielen Bereichen zur Praxis geworden. In der wissenschaftlichen Reflexion werden jedoch zunehmend die Grenzen des Konzeptes sichtbar. Einerseits zeigen sich unerwünschte Nebeneffekte von Gamification (Dark Side of Gamification) und andererseits wird deutlich, dass gamifizierte Anwendungen im Bildungs- und Unternehmensalltag nur wirksam sind, wenn es der soziokulturelle Kontext zulässt. Damit wird der Fokus auf das Konzept der Verspieltheit (Playfulness) gelenkt. Die akademischen Diskussionen zu Playfulness werden jüngst insbesondere in der Organisationsforschung durch die Forderung nach neuen Organisationsformen zur Förderung von Agilität, Resilienz und Selbstorganisation vor dem Hintergrund der digitalen Transformation neu belebt. Playfulness ist die Basis für Gamification und verschiebt den Forschungsfokus von Tools auf die soziokulturellen Aspekte des Spielens.

Spiele wirken förderlich auf die Lernmotivation, können Flow erzeugen und wirken Frustration oder Langeweile entgegen. Das Scheitern wird als part of the game akzeptiert und liefert die Antrieb für neue Versuche. Auf der kognitiven Ebene können Spiele Overload vorbeugen, den Wissenstransfer durch situative und narrative Einbettung von Informationen fördern oder durch Adaptivität verschiedene Lernstile berücksichtigen. Der pädagogische Diskurs zum GBL und Gamification in Learning ist jedoch stark beschränkt auf den Einsatz von Spielen, Spielelementen und Tools in Unterrichtssituationen, fokussiert jedoch weniger die soziokulturelle Rahmung von Spielen. Spiele sind auch Organisations- und Interaktionsformate in denen sich soziale Praktiken manifestieren. Das heißt Spielen findet nicht automatisch durch die Integration von Badges, Punkten und Leaderboards statt, sondern wird durch den soziokulturellen Kontext erst ermöglicht. So definiert Osterweil[18] Four Freedoms of Play (freedom to fail, freedom to experiment, freedom to effort and freedom to change identities) als Voraussetzung für organisationales Spielen. Noch weiter geht Warmelink[19] bei der Erforschung der Wesensmerkmale von verspielten Organisationskulturen (Playful Organization), indem er Online Game Communities organisationstheoretisch untersucht und daraus folgende Merkmale von Playfulness ableitet: Kontingenz (CONTINGENCY), Gleichheit (EQUALITY), Geselligkeit (CONVIVIALITY), Meritokratie (MERITOCRACY), Agilität (AGILITY) und Lernfähigkeit (TEACHABILITY). Aus diesen Arbeiten lassen sich die Voraussetzungen für die Gestaltung von spielbasierten Unterrichtsszenarien ableiten. Pädagog*innen sollten daher bereits vor dem Einsatz von GBL auf die Konfiguration der Lehr- und Lernsituation achten und dafür Sorge tragen, dass spielerische Unterrichtspraxis durch die Beteiligten gelebt werden kann.

GBL kann…
nur wirksam sein, wenn es der soziokulturelle Rahmen innerhalb der Lehrveranstaltung zulässt, d. h. die Lernenden frei agieren können wie in einer Spielesituation.

GBL kann nicht…
beschränkt werden auf die Nutzung von Tools und Methoden, sondern muss den Erfahrungen von Lernenden und die Zusammensetzung der Gruppe berücksichtigen.

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